Amphi Festival – Sonntag 22.07.2012

Auf einem Bein kann man ja bekanntlich nicht stehen und so kann man auch mit nur einem Festivaltag wohl nicht gut über die Runden kommen.
Tag 2 schloss sich mit einem grandiosen Auftakt direkt an den fabelhaften Samstag an.
Opener dieses zweiten und letzten Festivaltages waren LORD OF THE LOST auf der Mainstage.
Trotz der noch „nachtschlafenden“ Zeit von 12 Uhr waren bereits lange Zeit vor Beginn viele vor der Bühne versammelt. Neben den harten Fans und bekannten Gesichtern fanden sich aber auch einige interessierte Frühaufsteher. Alle sollten für ihren Einsatz belohnt werden.
Pünktlich um 12 Uhr startete nach einer Ansage durch FRANKIE das Intro „Live Today, Die Tomorrow“, genau wie der Titel der Single die es ab 10.08. zu kaufen gibt. Die Hamburger hatten von der ersten Sekunde an einen tobenden Kessel vor sich und es gab vor allen bei den weiblichen Fans kein Halten mehr. Leider ist der erste Slot des Tages nur 30 Minuten lang, so dass man sich auf das Wesentliche beschränken musste. Alle 5 Jungs sind wirklich eine Augenweide und mangels Zeit trat z.B. Bassist Klaas gleich von Anfang an „oben ohne“ auf, denn die Zeit zum Ausziehen blieb ja nicht.
Alle waren stilsicher geschminkt mit schwarzer und roter Körperfarbe, Akzente mit Cowboyhut und hochhackigen rot/schwarzen Stiefeln setzte zudem Frontmann CHRIS HARMS.
Eine klasse Show und 110% Körpereinsatz ließen die Zeit wie im Flug vergehen. Auch der auf dem neuen Album erscheinende Song „Blood for Blood“ schlug richtig gut ein und könnte sich zum neuen Publikumsliebling entwickeln. Auch den letzten Anwesenden hatten LOTL mit ihrem Cover von Amy McDonalds „This ist he Life“ abgeholt. Trotz des kurzen Auftritts ließ es sich Chris nicht nehmen Kontakt zu den Fans zu suchen und kletterte auch mit seinen Stiefeln auf die Absperrung um gemeinsam zu feiern. „Sex on Legs“ war dann der letzte Song und es wurde noch einmal das LOTL Stoßgebet im Chor gebrüllt.

Man war definitiv wach nach dieser Überdosis Testosteron und wenn ein Tag so beginnt, kann er nur genial weiter gehen!
Im Staatenhaus machten die Münchener SCHÖNGEIST den Anfang. Charismatisch wie eh und je gelang es Frontmann TIMUR im Handumdrehen die Leute zu begeistern und auch hier tönte ein kraftvoller Rock durch die Hallen und machte die Leute erst einmal wach. Auch hier blieben nur 30 Minuten, die SCHÖNGEIST aber durchaus zu nutzen wusste um ihre neuen Werke an den Mann und die Frau zu bringen.

Draußen ging es mit SOLAR FAKE, einem weiteren Projekt um Sven Friedrich, weiter. Die Partystimmung wie sie bei Lord oft he Lost herrschte konnte leider nicht ganz auf dem Niveau gehalten werden, aber dennoch machte die 2-Mann-Show ordentlich Druck und versuchte alles um die Besucher zu animieren. Die Alltime-Klassiker „No apologies“, „TheShield“ oder „Broken Grid“ fanden guten Anklang und wurden mitsingender und klatschender Weise gut unterstützt. Vom neuesten Album „FRONTIERTS“ gab es auch auf die Ohren, so z.b. „More Than This“, „The Rising Doubt“ und „Under the Skies“

Mit WHISPERS IN THE SHADOWS spielten im Staatenhaus auf. Nach Schöngeist war es hier etwas leerer geworden, füllte sich aber mit laufendem Set der Österreicher wieder. Sänger Ashley Dayour schlug leise Töne an und man selbst konnte sich einem seichten Zuhören hingeben. Mal etwas Abwechslung nach dem ganzen Rock ´n Roll. So richtig Publikumsstimmung wollte aber nicht aufkommen, was wohl aber eher am Typ der Musik als an den Leuten gelegen hat.

Wieder an der Mainstage angekommen spielten dort AESTHETIC PERFECTION auf. Eine Band die wohl so mancher nicht auf dem Zettel hatte. Für mich die Überraschung des Festivals! Im Jahr 2009 trat Aesthetic Perfection als Vorband für Combichrist auf ihrer Demons on Tour Tournee in den USA und Europa auf und beide Bands sind auch auf dem Amphi nicht zu trennen. Abbey Nexx (Gitarre Combichrist) filmte und fotografierte während des Auftritts von der Bühne aus und später am Abend half Keyboarder Elliott Berlin als Stage Hand beim Combichrist Auftritt.
Frontmann Daniel Graves überraschte mit einer energiegeladenen Performance und seiner markanten Stimme. Wohl auch der Grund warum ich THE OTHER im Staatenhaus verpasste und mit hier den gesamten Auftritt ansehen musste. Meine Notizen sagen: Pfeil nach oben und 2 Ausrufezeichen. Das beschreibt es eigentlich auch. Viel Rock, etwas Elektro, tiefgründige Texte und Emotionen in der Stimme gemischt mit viel Gefühl. Man spürte die Leidenschaft die dahinter steckt, nicht zuletzt durch ausdrucksstarke Bewegungen von Daniel, Akrobatik mit dem Keyboardständer von Elliott und Drummer Tim van Horn der ebenfalls alles gab. Ob man wollte oder nicht, diese Darbietung riss jeden mit und bis in die letzte Reihe wurde gefeiert.

So warteten wir gleich weiter im Freien, wo es nebenbei gesagt der Wettergott echt gut gemeint hat und mit angenehmen 25 Grad und Sonnenschein das Festivalerlebnis perfektionierte, bis sich die Rammstein Tribute Band STAHLZEIT präpariert haben. Mangels Bühnengröße und Höhe konnten die richtig starken Geschütze wie brennenden Engelsflügel dicht aufgefahren werden, aber auch so hatte man nach kürzester Zeit vergessen dass es nicht RAMMSTEIN war die da vor einem spielten. Authentisch und Formation, Show und Gesang überzeugten die 6 Mann von Anfang an. Viel Pyro, Feuer und Rauch machte auch zu dieser nachmittäglichen Lichtstimmung richtig Spass.

In eine andere Zeitepoche hingegen ging es im Staatenhaus bei COPPELIUS zurück. Das Berliner Herrenzimmer um Frontmann Max Coppella veranstaltet wie immer wohl gesittet eine wundervolle Konzertreise. Butler Bastille gab sein Bestes um den Herren den Auftritt so bequem als möglich zu gestalten. Die Besucher waren ebenfalls entsprechend in Abendgarderobe, Zylinder und Seidenmantel gekleidet, ebenso stilvoll wie die Musiker auf der Bühne. Kontrabassist Sissy Voss streckte wie eh und je ungezügelt die Zunge mehrfach dem Publikum heraus, Grad Lindorf am Cello schüttelte das lockige Haar wie es ihm beliebte. Eine schöne Aufführung mit Liedstücken aus allen Epochen der Existenz seit 1997.

An der Mainstage wurde es nicht weniger spannend. Kletterkünstler Rogue und die CRÜXSHADOWS spielten nun hier auf. Ebenfalls durch FRANKIE anmoderiert boten die 7 Bandmitglieder inkl. Tänzerinnen eine spannende Show. Jeder Song war anders choreografiert, ob synchron, asynchron oder partnerschaftliche Akrobatik…. Das Zusehen wurde nicht langweilig. Auch die Mischung zwischen Elektroparts in der Musik und durch das Keyboard gepaart mit den klassischen 2 Geigen zauberte eine besondere Stimmung. Rogue bahnte sich schon zu Beginn seinen Weg zur Bühne durch das Publikum und auch während des Sets stand er Publikumsnah an der Absperrung, wenn er denn nicht gerade wieder in weiten Höhen über der Bühne kletterte und von oben die Zuschauer besang.

Eine wirkliche Rarität war der Auftritt von 18 SUMMERS, die sich nicht allzu oft auf Festivals blicken lassen. Aber durch das neu erschienene Album macht ein Besuch vor sicherlich Sinn. Das Staatenhaus war gut gefüllt, die Beleuchtung inkl. Bühnenbild war stimmungsvoll arrangiert.
Interessante Requisite war der Notenständer und Getränke- und Handtuchhalter von Felix Flaucher, welcher schimmernd in Gold mit einem Totenkopf verziert immer wieder die Blicke fing.
Trotz des ruhigen, gefühlvollen und melancholischen Stiles wurde zwischen den Songs richtig losgejubelt. Die Fans waren definitiv zufrieden.

Ein weiteres Highlight des Abends boten MONO INC. auf der Mainstage. Mittlerweile war es 17:30 Uhr und routiniert begeisterten die Hamburger um Frontmann Martin Engler ab der ersten Minute. Viele Fans in der ersten Reihe standen bereits Stunden zuvor um sich ihre Pol-Position zu bewahren.
Eine tolle Show, Standartelemente wie das Schlagzeugersolo vom Katha Mia, das Fanvideo fürs Tourtagebuch oder die Akustikeinlage von Iggy Pops „The Passenger“ animierten das Publikum zum kräftigen Mitmachen. Allerdings war das Publikum nicht so ganz textsicher, sehr zum Ungenügen Martins. Trotz wohliger 25 Grad vollzog Martin Engler den Auftritt nahezu komplett im schwarzen Wollmantel, doch gegen Ende war die Stimmung so angeheizt, dass auch er den Mantel ablegen musste. Die vier Hamburger hatten sichtlich Spass, das Publikum ebenso. Ein guter Vorgeschmack auf die noch bevorstehenden DARK END Festivals mit Mono Inc, Lord Of The Lost, Unzucht und Megaherz/wahlweise Roterfeld im Herbst und Winter diesen Jahres.

Ähnlich selten wie 18 Summers begrüßten nun im Staatenhaus die Kanadier CONJURE ONE die Freunde des Electronic Ambiente/Trip Hop. Für mich völlig unbekannt versprach ein auswendiges Bühnenbild mit 3 großen LED Wänden viel. Die Stimme der blonden Sängerin, deren Name nicht bekannt ist, harmonierte wunderbar mit Lichtshow und Musik. Kopf der Formation Rhys Fulber griff ebenfalls zeitweise zum Mikrofon, was entsprechend bejubelt wurde. Das Set fand sein Ende mit dem Song „Silence“ welcher noch aus ehemaligen Zeiten mit Delerium stammt und den Abend gelungen abrundete. Es jagte ein Highlight das nächste und so ging es zurück zur Mainstage.

Denn hier haben bereits BLUTENGEL mit großem Fahnenmonument die Bühne betreten. Eine tolle Show, die Alles in Allem auch neue Elemente bot die binnen 70 Minuten gezeigt wurden. Chris Pohl wurde zudem noch von Ulrike Goldmann gesanglich und im Schauspiel miteinander unterstützt, der gemeine Festivalbesucher wusste vor lauter Interaktion manchmal gar nicht wo er zuerst hinschauen sollte. Erotik und Klischee waren wieder vertreten, sei es mittels der Blutdusche einer entblößten Tänzerin oder die choreografierten Stippeinlagen der Tänzerinnen. Standard in Anzug, mit weißen Kontaktlinsen und mit Notenständer bot Chris Pohl das Set souverän dar. Nach langer Zeit mal wieder live gesehen und für mich zwar im Großen und Ganzen nichts Neues, aber dennoch sehenswert.

Vorweg genommen, AND ONE als Headliner auf der Mainstage habe ich leider verpasst um das gesamte Konzert vom COMBICHRIST im Staatenhaus zu verfolgen.
Und das war ein absolutes Brett! 70 Minuten Show, Faszination, Party, Schweiß, unvorhergesehene Aktionen auf und vor der Bühne. Ein richtig geniales Konzert, das schon zu Anfang dicke Bonuspunkte sammeln konnte.
Denn COMBICHRIST sind ja immer etwas speziell und für Überraschungen gut. Und so traten sie in Ganzkörper-Tierkostümen auf! Andy als Affe, Shaun als Tiger, Z-Marr als Gorilla… Diese haben sie durch Zufall kurz vorher auf ihrer derzeitigen tour erstanden und das Amphi schien der perfekte Ort um sie einzuweihen.
Die Fanscharen waren hoffentlich alle rechtzeitig eingetroffen, denn das Staatenhaus war rammelvoll und bis auf den letzten Platz besetzt. Hitzige Atmosphäre macht sich breit und dabei hatten Combichrist noch nicht einmal begonnen! Nach dem Intro und dem Erscheinen der 5 Jungs in ihren Kostümen entlud sich diese Spannung und alles war einfach im Fluss. Frontmann Andy LaPlegua war in seinem Bewegungsdrang nicht zu stoppen und tobte sich auf und vor der Bühne aus, Joe Letz massakrierte sein Schlagzeug und zerlegte es immer wieder in seine Einzelteile. Wieder mit dabei an Keyboard und Drums ist Shaun Frandsen, der gern mal mit Drumstick und Bekcen über die Bühne tobte oder sich mit selbigen auf dem Boden wälzte.
Ebenfalls dabei Gitarren-Koryphäe und Gelenkigkeitswunder Abbey Nex und Z Marr, der leider etwas eingebaut die wenigste Bewegungsfreiheit hatte. Richtig arg Gänsehaut aber war beim letzten Song „Never Surrender“ dabei. Denn trotz der enormen Lautstärke der Boxen brüllte as Publikum wesentlich lauter „We rise from the Ashes“ mit… eine absolute Naturgewalt auf und vor der Bühne entlud sich! Die „Umbaumaßnahmen“ und Zerstörungsaktionen wurden natürlich nach altem Combichrist Stil auch hier gezeigt und umgesetzt.
Dieses ganze Chaos war amüsant, aufregend und in jeder Sekunde spannend, so dass dieser Gig wohl nie hätte enden sollen. Im Nachhinein bewerteten Combichrist selbst diesen Auftritt als den besten seither! Andy betonte dies immer wieder mit „Danke Amphi“.

ES blieb keine Zeit zum Luftholen, denn der nächste Headliner und Abschlusskandidat des diesjährigen AMPHI Festivals war kein geringerer als PROJECT PITCHFORK.
Die anwesenden und abwesenden Pitchies verwirrten jedoch ein wenig. Dirk Scheuber fehlte, dafür war ein zweiter Schlagzeuger hinzugekommen. Witziger weise verglich Peter Spilles seine Stagezeit als letzter Act des Festivals mit der Möglichkeit, die „Festivalbesucher „zu Grabe“ bringen zu dürfen“. Nach dem Auspowern bei Combichrist und einem richtig stimmungsvollem Set von Pitchfork war man wirklich dem Tode näher als dem Leben. Die ansprechenden Lichteffekte und Tanzeinlagen von Peter animierten zusätzlich, auch wenn die Kräfte bereits langsam schwanden.
Doch auch nach dem regulären Set konnten die meisten den Hals nicht voll bekommen. Zugabehit „Souls“ als Gute-Nacht-Lied musste dann aber doch ausreichend sein.

Fazit:
Wie eh und je ein richtig geniales Wochenende, Veranstalter, Security, Standbetreiber etc. Alles lief Hand in Hand und war durchdacht. Minimale Verzögerungen oder kurzzeitige Absprachen fielen nicht weiter ins Gewicht. Das von vorn bis hinten hochkarätige Programm lies so manche Male den Mund offen stehen und sorgte für einige Überraschungen. Dieses Maß an Spaß, Freude, Erlebnisreichtum und guter Musik zu toppen könnte wirklich schwierig werden fürs kommende Jahr.
Vielen Herzlichen Dank AMPHI!

Autor / Foto: Mandy Privenau